
Um zu lernen, wie wir Kooperationsprojekte bei der EU beantragen, bin ich nach Zakopane in Polen gefahren. Dort habe ich viel über die Ziele und Prioritäten des Förderprogrammes gelernt und wie wir unsere Zielerreichung besser messen können. Und Pool, Kegelbahn, Schnee und Berge gabs auch.

Warum?
Das Förderprogramm Erasmus+ besteht aus drei Leitaktionen. Bisher haben wir Leitaktion 1: Mobilität für Einzelpersonen genutzt: Dort finden sich Jugendbegegnungen, Jugendpartizipationsprojekte und Mobilitätsmaßnahmen für Jugendarbeiter*innen. Leitaktion 2; Kooperationspartnerschaften zielt statt auf Einzelpersonen auf die Fortentwicklung der Organisation. Ziel ist es, in Kooperationen mit anderen Organisationen mehr Kapazitäten zu entwickeln, um auf der europäischen Ebene wirksam werden zu können. Dabei sollen die Organisationen idealerweise gemeinsam von einander lernen. Um das auszuprobieren, wollen wir uns in Zukunft an einer sogenannten Kleinen Partnerschaft versuchen.

Training in Zakopane
Damit das auch klappt, habe ich Polen besucht. Die polnische Nationalagentur für Erasmus+ veranstaltete vom 16.11. bis zum 20.11.2025 in Zakopane ein Seminar. Das Seminar sollte Menschen Ersatantragsteller*innen trainieren, Kleine Partnerschaften zu planen, zu beantragen und durchzuführen.

Gefunden auf SALTO-Plattform
Gefunden habe ich die Ankündigung für das Seminar auf der SALTO-Plattform. SALTO ist der Oberbegriff für Kompetenzzentren der Nationalagenturen. Diese betreiben gemeinsam eine Plattform zum Bewerben von Trainings. Ich habe das als sehr hilfreich erlebt und kann allen nur empfehlen, da mal einen Blick drauf zu werfen.

Zakopane an der Tatra
Ich habe meine Sachen gepackt und bin mit dem Zug von Berlin über Wroclaf und Krakow nach Zakopane gefahren. Zakopane ist ein Bergdorf am Fuße der Tatra. Das ist ein sehr kleines Hochgebirge. Zakopane ist ein Wintersport- und Kurort. Vieles hat mich an Garmisch erinnert. Das Hotel Tatra, in dem das Seminar stattfindet, ist super.

Teilnehmende aus vielen Ländern
Zwei Teamerinnen leiteten das Training. Außerdem waren drei Mitarbeitende der Nationalagentur anwesend. Das Seminar startete mit einem ausführlichen Kennlern-Teil. Schließlich ist Partnerorganisation finden auch ein Teil der Mission des Seminars. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden kommt aus Organisationen aus Polen, der Rest aus Deutschland, Dänemark, Niederlande, Irland, Griechenland und Türkei. Die VVP ist die kleinste Organisation, wirklich groß ist jedoch keine. Die NGOs sind klar in der Überzahl. Außerdem haben sind Leute aus Schulen und Vertreterinnen von zwei staatlichen Stellen anwesend.
Ziele, Förderprioritäten und die Kegelbahn
Der Rest des Tages vergeht mit einer Einführung in die Ziele und Prioritäten des Förderprogrammes für „Kleine Partnerschaften“. Außerdem lernen wir in Gruppenarbeiten, die Bedürfnissen unserer Organisationen zu identifizieren, die wir mit der „Kleinen Partnerschaft“ adressieren wollen. Einer der beiden Teamer*innen arbeitet eigentlich als Consultant in der freien Wirtschaft. Er berät Firmen beim Anträge schreiben. Seine Erfahrungen sind sehr hilfreich, doch zunächst verstörend für uns aus der NGO-Welt: „How do you prove it? Your expirience does not count!“
Doch mir helfen seine Fingerzeige sehr, besser zu belegen, warum unsere Organisation die Bedürfnisse hat, die wir meinen zu haben. Wir erzeugen mit unseren Evaluationen jede Menge Daten. Doch wir setzen sie selten geplant in Wert. Das möchte ich in Zukunft gezielter tun, damit aus den vielen Daten auch nützliche Informationen werden. Außerdem entdecken wir nach dem Abendessen die Kegelbahn im Untergeschoss des Hotel Tatra.
Gute Praxis
Am Vormittag des zweiten Tages besuchen uns via Zoom zwei Menschen aus Krakau. Sie stellen vergangene „Kleine Partnerschaften“ vor, die sie durchgeführt haben und die die Nationalagentur wegen Guter Führung ausgezeichnet hat. Beides ist sehr interessant, die Sprechenden vermitteln praktische Tipps fürs Management und warnen vor Fallen.
Sichtbarkeit
Das erste Projekt ist sehr interessant. Es adressiert dieselben Organisationsbedürfnisse zum Thema Sichtbarkeit und Öffentlichkeitsarbeit, die unsere Organisation hat. Hauptratschlag: Mit den Partner*innen offen über Finanzen reden.
LARP
Die zweite vorgestellte Organisation macht sogenannte „Live Action Roleplays“, kurz LARP. Das sind interaktive Rollenspiele, bei dem Teilnehmer*innen physisch fiktive oder reale Figuren darstellen und eine Geschichte improvisieren. Spieler schlüpfen in Rollen wie Elfen oder Ritter, ziehen Kostüme an und interagieren miteinander, um Abenteuer in unterschiedlichen Settings, wie zum Beispiel mittelalterlichen Fantasywelten oder post-apokalyptischen Szenarien, zu erleben. Dies nutzen sie für das Vermitteln von Diversität und Inklusion.
Schreibwerkstatt
Dann gehts ans Skizzen für die Anträge schreiben. Ich lerne hierbei, die Ziele unseres Projekts besser mit den Prioritäten des Förderprogrammes zu verbinden. Im zweiten Teil der Schreibwerkstatt geht es um Qualitätsstandarts. Durch den Input aus der freien Wirtschaft lerne ich, unsere Ziele mit konkreten messbaren Indikatoren für Erfolg zu verbinden. Außerdem nehme ich viele Anregungen für eine bessere Verbreitung der Ergebnisse mit nach Haus.
Gutes Feedback macht Mut
Das Feedback zu unserer Projektskizze am dritten und letzten Tag stimmt mich positiv: Das Thema passt ins Förderprogramm, es adressiert eine generelle Priorität und eine programm-spezifische. Die Bedürfnisse sind klar beschrieben. Die Maßnahmen sind geeignet. Die Ziele erreichbar und gut messbar. Das gibt mir Hoffnung und Kraft, an dem Antrag weiter zu arbeiten uns trotz erwartbar großer Konkurrenz den Antrag zu stellen.

Ausflug auf den Berg
Am zweiten Tag hatten wir außerdem eine Exkursion. Im Schnee. Wunderschön. Wir sind mit einer Zahnradbahn auf einen Berg gefahren. Und die Zahnradbahn ist nicht abgestürzt wie in Lissabon. Aber man konnte oben die Kabel, an denen die beiden Fahrzeuge sich gegenseitig hoch- und runterziehen, sehr schön sehen. Und die Aussicht auf die Tatra war wundervoll. Die Tatra liegt zwischen Polen und Slowakei und ist nur 50-60km lang. Sie würde locker in ein einziges Alpental passen. Trotzdem sind die Gipfel schneebedeckt und bis zu 2600 Meter hoch. Gletscher gibt es leider keine mehr.

Stadtführung
Nach der Tour auf den Berg gibt es eine Stadtführung. Zakopane ist etwa 400 Jahre alt. Es war ein kleiner armer Flecken. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts setzt hier der erste Tourismus ein. Reiche Leute und Geistesgrößen sind von der Tatra fasziniert; wie wir in Deutschland in der Zeit der Romantik von deutschen Wald. In Zakopane kaufen diese Leute Land und bauen Häuser, stiften die erste Kirche, sorgen für eine Verwaltungsreform, die den Ort zur selbstständigen Kommune macht. Aus der guten alten Zeit sind heute noch etwa 80 Holzhäuser im sogenannten Zakopane-Style erhalten.
Kulturelles Zentrum
Polen ist zu dieser Zeit von Österreich, Deutschland und Russland besetzt. Während Russland und Deutschland „ihre“ Polen brutal unterdrücken, ist im österreichisches Teil Kultur, Nationalismus und Opposition möglich. Das österreichische Zakopane wird so zu einem Zentrum der Jungpolen, einer modernistischen Kunst-Avandgarde zeitgleich und inhaltlich ähnlich unserer Romantik.

Friedhof voller wichtiger Leute
Haufenweise wichtige Dichter, Denker und Künstler Polens liegen deshalb auf dem kleinen Friedhof neben der alten hölzernen Kapelle begraben. 1908 gründete der damals „Noch-nicht-Marschall“ und Zar-Attentäter Józef Piłsudski hier seine erste Freiwilligen-Kompanie aus Bergschützen und legte damit einen wichtigen militärischen Grundstein für die Wiedergeburt Polens.

Maskendeals
Die Reichen und Schönen, und die, die dazu gehören wollen, treffen sich hier immer noch. Ich hatte von dem Ort gehört, weil ich während der Pandemie Medienberichte konsumierte, die berichteten, das Warschauer Polizei zwei Streetart-Künstler verhaftet hatte. Diese hatten unerlaubt eigene Poster in Werbevitrinen im Nahverkehr platziert. Diese Poster zeigten den damaligen Gesundheitsminister als scheinheiligen Heiligen. Damit kritisierten sie dessen dubiose Masken-Deals als Korruption. Und besagte Maskendeals wurden in Zakopane eingefädelt. Aktivist*innen in Berlin kopierten aus Solidarität die Aktion und so erfuhr ich davon und hörte zum ersten Mal von Zakopane.

Abendessen
Nach der Stadtführung gehen wir essen. Ins Restaurant Krupowa Izba. Das ist ein traditionelles Restaurant mitten im Ortskern in der Fußgängerzone. Der Tisch biegt sich vor Speisen, ich bin eigentlich schon nach der Vorspeise satt und dann kommt noch Kuchen!
Fazit
Ich kann die Teilnahme an solchen Aktivitäten nur empfehlen. Nicht nur wegen des Kuchens und der Kegelbahn. Man lernt unglaublich viel. Da die Antragszahlen bei Erasmus+ steigen, dürfte es jedes Jahr wichtiger werden, qualitativ hochwertige Projekte zu entwerfen. Und das schaffen kleine Organisationen wie wir nur, wenn wir uns kontinuierlich fortbilden. Und mir fällt immer wieder auf, wie wenig wir Linken aus Westeuropa über Polen und Mittel-Europa wissen. Allein deswegen glaube ich, ist es wichtig, dass wir auch in Zukunft Partnerschaften mit Organisationen aus Ländern wie Polen, Ukraine, Belarus, Litauen, Georgien usw. knüpfen.
Mehr Infos:
Kleine Partnerschaften in Ersamus+
https://www.erasmusplus-jugend.de/foerderung/leitaktion-2/small-scale-partnerships/
Salto-Trainingskalender
https://www.salto-youth.net/
Call for Partners:
https://vernetzungpartizipation.noblogs.org/post/2025/07/22/partners-wanted-getting-ready-for-europe-peace-project-lab/
Wo sind die Bisons? Bericht über Partnerschaftsbildeaktivität mit Belarus:
https://vernetzungpartizipation.noblogs.org/post/2025/05/24/where-are-the-bison-please-report-from-the-partnership-building-activity-belarusian-youth-work/