Unsere Reise nach Barcelona zur Ban Fossil Ad’s Konferenz

Um 4:30 klingelte der Wecker. Warum? Die Ban Fossil Ads Konfernz in Barcelona! 17 Stunden Zugfahrt später war ich endlich angekommen. Vom 12. bis 14. September 2025 hatten die Organisation Subevertisers International und die Kampagne „Kampagne Fossil Free“ aus den Niederlanden Menschen aus der ganzen Welt eingeladen. Ziel war es Leute zu vernetzen, die sich im weitesten Sinne mit „outdoor“ Werbung beschäftigen und daran arbeiten, Werbung und Sponsoring für fossille Produkte und Dienstleistungen abzuschaffen. Unser Fazit? Auf der lokalen Ebene vor der eigenen Haustür anfangen.

Weite Anreise
Der Weg zur Konferenz war sehr weit. Von Berlin nach Barcelona sind es 1890 Kilometer. Es dauert mit dem Zug mit Verspätung fast 20 Stunden. Außerdem war Streik in Frankreich. Aber dafür bekamen wir so viele schöne Orte zu sehen. In Paris haben wir zum Beispiel eine selbstfahrende Roboter-U-Bahnen entdeckt (eine Sensation für Berliner:innen!).

Und der Gare dy Lyon ist schon auch sehr beeindruckend. Sooo viele Menschen! Und kaum wer rempelt schlecht gelaunt die anderen Wartenden an! 

Unser Hostel
In Barcelona angekommen geht’s erstmal ins Hostel und Barcelona angucken. Untergebracht waren wir in  der Innenstadt von Barcelona. Das Hostel war ein fetter durch-rationalisierter Block mitten in einem Wohngebiet. Die ständigen Ströme an (hauptsächlich ca. 18 jährige) Touris, vermittelten mir noch mehr Verständnis für die anhaltenden Proteste gegen Over-Tourism und steigende Mieten in Barcelona. Aber wir sind ja nicht zum Städte gucken, sondern zum Weltverändern hergekommen.

Tourismus
Klar gucken wir uns doch die Stadt ein wenig an: Ganz in der Nähe unseres Hostels sind zwei Häuser vom Architekten Gaudi. Einige besuchen das Katalanische Museum. Die Altstadt mit den Resten der römischen Mauer bietet sich an. Oder einfach Baden am Strand mit Palmen: Eines der wenigen Dinge, die Berlin wirklich nicht zu bieten hat.

Der leere Stuhl in Badalona
Gedenkzeichen für die Diktatur unter Franco von 1936-1975 finden wir kaum bis gar nicht. Eine haben Leute von uns auf dem Weg zum Strand in Badalona entdeckt. Es ist eine Statue. Sie zeigt einem überlebensgroßen leeren Amtsstuhl. Mit Einschusslöchern drin. So gedenkt die Stadt dem Bürgermeister Frederic Xifré i Masferrer. Er wurde 1940 von rechten Putschisten ermordet.

Der Ort der Konferenz
Die eigentliche Konferenz hat aber weit oben auf einem Berg stattgefunden. Nordwestlich der Metro-Station Canyelles gibt es ein seit über 20 Jahren besetztes altes Kloster, das ursprünglich mal von Nonnen bewohnt war. Super spannendes Hausprojekt!  Es heißt Can  Masdeu.

DIe Bewohnerinnen haben Kleingärten angelegt, die die Statdbewohner:innen nutzen können, um dort Gemüse und Obst anzubauen.

Außerdem haben sie ein uraltes Regenwasserauffangsystem, in das man sogar reinspringen kann. Und im Garten wachsen Feigen! Die liebe Crew sorgte für fantastische Verpflegung zu jeder Zeit.

Manche Teilnehmenden bemängelten die Komposttoiletten, aber wer aus dem Klo hinaus trat, wurde mit einem Blick über blühende Gartenterassen und die Stadt Barcelona bis hin zum Mittelmeer belohnt.

Und die Konferenz?
Auf der Konferenz waren Aktivist:innen, NGO-Vertreter:innen, Künstler:innen und Leute, die sich auf einer wissenschaftlichen Ebene mit Werbung beschäftigen. Die Teilnehmenden kamen aus Portugal, Spanien, Katalanien, Italien, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Österreich, Deutschland, Scottland, England, Kongo und der USA. Es gab viele spannende Inputs. Ein obligatorisches Kennenlernspiel leitete die Konferenz am Freitagvormittag ein. 

Wie viele Menschen unterstützen Klimaschutz?
Phil von einer Lobby-Organisation aus den USA, deren Namen wir leider vergessen haben, sorgte am Freitagmittag direkt für Motivation. Er referierte unterhaltsam in ironischer Pose mit Krawatte, über Fehleinschätzungen zur Unterstützung von Klimaschutz. Dazu stellte er uns verschiedene Schätzfragen wie zum Beispiel: „Wie viel % der Menschen in den USA unterstützen Klimaschutz?“, Wie viele Menschen unterstützen schärfere Gesetze für Klimaschutz?“, „Wie viel Prozent der Weltbevölkerung würden 1% ihres Einkommens für Klimaschutz abgeben?“

Hände hoch!
Phil ließ uns die Hände heben und zählte die Prozente aufwärts hoch, wobei immer mehr Leute ihre Hand herunter nahmen. Angekommen bei der richtigen Antwort, nämlich regelmäßig um die siebzig Prozent, waren nur noch wenige Hände in der Luft. Selbst unter Republikaner*innen in den USA unterstützen 50-60% Maßnahmen für Klimaschutz.

Das bedeutet, wir unterschätzen systematisch die Unterstützung für Klimaschutz. Das geht nicht nur uns so: 70-80% der Politikerinnen sind für Klimaschutz, nehmen aber an, dass nur 30% der Wählerinnen dies ebenfalls seien. Lediglich bei den 10-20% der Bevölkerung, die gegen Klimaschutz seien, ist es anders herum: Sie wähnen sich irrigerweise in einer großen Mehrheit von 99%, die ihre Meinung teilen würden.

Statt Fakten gleich zur Aktionsplanung
Phils Fazit: Die meisten Menschen erkennen bereits die Fakten über den Klimawandel an. Die meisten Menschen wünschen sich mehr Klimaschuz. Sie sind auch bereit in einem gewissen Maß einen Beitrag dagegen zu leisten. Wir müssen die Menschen nicht mühsam mit Fakten überzeugen. Sie sind es bereits. Wir können und müssen gleich zur Aktionsplanung übergehen. Und politisch Aktive wie wir sollten sich nicht von den Manipulationen der fossilen Lobby einschüchtern lassen.

Erfolge feiern
Ein Beispiel, was man erreichen kann, wenn man sich nicht einschüchtern lässt, zeigte Boris Buster aus Berlin vom Berlin Busters Social Club. Er berichtete wie Adbustings gegen Polizei und Militär, ebenjene Machtstrukturen herausfordern und aus dem öffentlichen Raum verdrängen. In den letzten 10 Jahren hat die Berliner Adbusting-Szene Polizeiwerbung an Bushaltestellen und den Tag der Bundeswehr aus dem Stadtbild gedrängt und trotz enormer Repression beachtliche rechtliche Erfolge errungen. Sein Rezept: Erfolge feiern.

Bewegungsfragen „Theory of change“
Inhaltlich  ging es am Freitagnachmittag gleich heiß her. Die Aktivistin Virginia Birch aus der Autonomen Universität Barcelona plädierte für die Verbindung von Klimakämpfen mit sozialen Bewegungen um den „green-digital“ Kapitalismus zu überwinden. Ihre Forderung einer breiten politischen Bewegung stand im Kontrast zu den politischen Kontexten vieler anderer Teilnehmer:innen.  

Spannungsfeld NGOs <-> Aktivismus
Somit bildete die Konferenz ein recht breites Spektrum an Ansätzen ab um die (fossile) Werbeindustrie herauszufordern. Genau das brachte mich und weitere Teilnehmende zum nachdenken und diskutieren. Es zeichnete sich für mich eine Aushandlung zwischen Aktivismus und Lobbyismus durch NGOs ab. 

Welche „Theory of change“?
Eine vortragende Juristin von Fossielvrij NL äußerte sinngemäß, es sei politisch sinnvoll, irgendwelche andere Werbung zu akzeptieren und erstmal fossile Werbung rechtlich zu verbieten. Doch lässt sich das mit  einer generellen Anti-Werbe-Haltung vereinbaren? „Depends on your theory of change“ wie ein Konferenzteilnehmer äußerte, der aktivistisch und politisch einen Wandel erzeugen möchte. 

Ratlosigkeit
Im ersten Moment hinterließ mich diese Situation ratlos. Ich verstehe, dass es besser ist, kleine Fortschritte zu machen, als still zu stehen. Doch angesichts zunehmender sozialer Ungleichheit, Aufrüstung und der sich zuspitzenden Klimakatastrophe, stellte sich mir die Frage ob und  wie weit das Verbot von fossiler Werbung in einzelnen Städten, wirksam ist.

Der Nutzen von Gesprächen
Mir zeigte sich, der Nutzen von Konferenzen und persönlichen Gesprächen: Nach einem kurzen down fand ich es sehr bereichernd und motivierend zu sehen, wie Menschen sich auf unterschiedliche Weise diesem ausbeuterischem System entgegenstellen. Dabei müssen sich unterschiedliche Ansätze nicht ausschließen. Es ist wichtig, Gleichzeitigkeiten auszuhalten und auch mega gut kleine Schritte zu feiern. So kann sich ein Bewegungsmomentum aufbauen von dem alle Aktionsformen profitieren können, denn auch ein aktivistischer Ansatz braucht Anerkennung und Unterstützung! Für mich waren das wichtige  Learnings, die diese Konferenz durch die direkten Begegnungen  ermöglichte.

Mehr Infos:

Bericht zum Vortrag von Geraldine Deade Tanakula von Scientist Rebellion DRC:

https://vernetzungpartizipation.noblogs.org/post/2025/10/09/greenwashing-auch-im-kongo-ein-bericht-zum-vortrag-von-geraldine-deade-tanakula-von-scientist-rebellion-drc/

Ban fossil Ads – mein persönliches Fazit:

https://vernetzungpartizipation.noblogs.org/post/2025/10/09/ban-fossil-ads-mein-persoenliches-fazit/